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Zu viele Interessen, keine klare Richtung
Viele neurodivergente Menschen kennen dieses Spannungsfeld: Du hast viele Interessen, nimmst vieles als gleichzeitig wichtig wahr und trotzdem fühlt es sich an, als würdest du keine klare Richtung sehen.
Rational weißt du, dass Priorisierung helfen würde. Emotional und kognitiv fühlt es sich jedoch oft an wie ein System ohne sichtbaren Startpunkt.
In diesem Artikel erfährst du, warum das kein persönliches Versagen ist, sondern eine logische Konsequenz neurodivergenter Wahrnehmung. Und wie du mit vier klaren Schritten zu einem Prioritätensystem findest, das dein Denken respektiert, statt dagegen anzukämpfen.

Warum neurodivergente Menschen sich oft „in jeder Situation anders“ erleben
Viele neurodivergente Menschen berichten, dass sie nicht nur vielseitig sind, sondern sich je nach Umfeld wie eine andere Version von sich selbst wahrnehmen. Gerade in der Kombination kann sich das wie das Spielen einer Rolle anfühlen oder sogar irritieren, wenn man sich selbst nicht wiedererkennt.
Das Gefühl: Viele Interessen, aber kein erkennbarer roter Faden
Du kannst dich für völlig unterschiedliche Themen begeistern: Strategie, Innovation, Psychologie, Technologie, Kreativität. Eine schnelle Auffassungsgabe, hohe Begeisterungsfähigkeit und inhaltlich tiefes Spezialwissen gehen oft damit einher.
Das Herausfordernde daran: alles scheint gleich relevant. Das erzeugt den Eindruck von fehlendem Fokus, obwohl in Wirklichkeit eine hohe kognitive Kapazität dahintersteht. Kein Chaos.
Kontextabhängige Identität: Warum ND-Menschen sich je nach Umfeld verändern
Neurodivergente Menschen passen ihr Verhalten besonders stark an:
- an die Aufgabe
- an die Personen im Raum
- an Rollenbilder
- an unausgesprochene Erwartungen
Das hat nicht mit „Sich-Verstellen“ zu tun, sondern mit einer feineren Reizverarbeitung und situativen Intuition.
Wissenschaftlicher Hintergrund: Reizverarbeitung, Rollenadaption, Maskierung
Drei Mechanismen erklären das Erleben:
- Reizüberflutung: Neurodivergente Gehirne verarbeiten mehr Signale (Studien 1 + 2 zeigen, dass neurodivergente Gehirne oft mehr Reize parallel verarbeiten und weniger filtern) und reagieren flexibler.
- Maskierung: Über Jahre entwickelte Anpassungsstrategien formen situative Identitäten.
- Rollenadaption: Viele neurodivergente Menschen erkennen schneller, welche Dynamiken in einer Situation wirken.
Kurz: Du bist nicht „widersprüchlich“. Du passt dich effizient an Kontexte an.
Wenn alles wichtig wirkt: Warum klassische Priorisierungsmethoden nicht funktionieren
Viele neurodivergente Menschen sind Experten darin, traditionelle Methoden wie Eisenhower, Pareto oder SMART anzuwenden. Für viele von uns ist Selbstoptimierung ein Mittel, um die innere Komplexität zu ordnen. Paradoxer Weise sind diese Methoden oft zu eindimensional, um wirklich zu helfen.
Das Problem mit linearen Frameworks
Diese Modelle basieren auf Annahmen wie:
- „Wichtigkeit“ lässt sich objektiv bestimmen
- Aufgaben bleiben stabil
- Prioritäten sind linear
Doch für neurodivergente Menschen ist Realität nicht linear, sondern kontextabhängig. Sinn trägt für uns besonders zur Motivation bei. Das Richtige gut zu tun ist uns wichtiger als lange geplante Aufgaben abzuschließen.
Kognitive Überlastung & Entscheidungsstress
Wenn das Gehirn zu viele Reize gleichzeitig bewertet, entstehen leicht Entscheidungsstress, innere Blockade, Erschöpfung und der Eindruck, „nichts fertig zu bekommen“.
Das ist kein Mangel an Disziplin. Das ist Cognitive Overload. (Toll hier im Zusammenhang beschrieben)
Warum „Wertearbeit“ für Neurodivergente oft scheitert – und wie man es besser macht
Kennst du das? In einem Seminar oder Fragebogen geht es darum, deine persönlichen Werte zu bestimmen. Der Interpretationsspielraum der Begriffe lässt sie verschwimmen. Du bist dir nicht sicher, ob du dich darin wirklich wiederfindest. Du zweifelst bei einem erneuten Durchgang zu demselben Ergebnis zu gelangen.
Klassische Wertearbeit verlangt schnelle Zuordnung, abstrakte Kategorien oder eindeutige Entscheidungen. Genau das überfordert neurodivergent Denkende. Wir erleben Werte nicht als statisch, sondern als situationsabhängig.
In vielen Studien und Selbstberichten neurodivergenter Menschen tauchen Werte wie Fairness, Ehrlichkeit und Sicherheit besonders häufig auf. Damit wird ein Muster sichtbar, keine individualtität.
Nachhaltige Werte finden wir daher oft auf einer abstrakten Ebene.
Was ist der Unterschied zwischen Priorität und Reihenfolge?
Eine Priorität definiert: Was wirklich zählt. Ein nachhaltiger Stellenwert zeichnet sich dadurch aus, dass er stabil bleibt. Neue Themen können sich neu einsortieren und natürlich ändert sich auch mal etwas, aber das ist im Großen und Ganzen selten.
Eine Reihenfolge definiert: In welcher Abfolge du Dinge tust. Das kann sich wöchentlich, täglich oder gar stündlich ändern.
Viele Menschen verwechseln beides und versuchen, Prioritäten wie Checklisten zu ordnen.
Für neurodivergente Menschen führt das zu inneren Konflikten, weil Prioritäten für uns Sinnhaftigkeit abbilden, eine Reihenfolge aber auch Aspekte wie Dringlichkeit berücksichtigen.
Kurz: Wer die eigenen Prioritäten kennt, kann diese geschickt nutzen, um seine Aufgaben in eine harmonische Reihenfolge zu ordnen.
Wie du deine Prioritäten nachhaltig erkennst und nutzt, folgt in den folgenden 4 Schritten.
Schritt 1: Persönliche Muster sichtbar machen (Personal Patterns Mapping)
Bevor du priorisieren kannst, brauchst du Klarheit darüber, wer du in welchem Kontext bist.
Wie du erkennst, wer du in unterschiedlichen Situationen bist
Stelle dir Fragen wie:
- In welchen Momenten fühle ich mich klar?
- Welche Situationen ziehen Energie?
- Wo handle ich intuitiv richtig?
Musteranalyse: Verhalten, Emotionen, Bedürfnisse, Energielevel
Betrachte Muster in vier Dimensionen:
- Verhalten: Was tue ich wirklich?
- Emotionen: Wie fühle ich mich dabei?
- Bedürfnisse: Was versuche ich zu erfüllen?
- Energie: Was lädt mich auf, was erschöpft mich?
Warum Muster der zuverlässigste Zugang zu deiner Identität sind
Handlungen sprechen lauter als Worte. Identität entsteht nicht durch Selbstbilder. Sie entsteht durch wiederkehrende Verhaltens- und Reaktionsmuster.
Wenn du deine Muster kennst, werden die nächsten Schritte intuitiv.
Schritt 2: Interessen und Werte voneinander unterscheiden
Warum neurodivergenten Menschen oft alles interessant finden
Interesse ist für neurodivergente Menschen ein Energiegeber.
Neugier ist ein Wahrnehmungsphänomen und sich in ein Thema richtig einzuwühlen begeistert.
Klingt sprunghaft, aber nur bis man das größere Muster erkennt. Oft gibt es einen gemeinsamen Faktor oder ein bestimmtes Themenfeld. Das ist die Ebene, die wir festhalten! Dieses Muster oder übergeordnetes Thema zu erkennen und benennen zu können, ist ein wichtiger Schritt.
Wie du Werte definierst, ohne dich zu überfordern
Ersetze abstrakte Fragen wie: „Welcher Wert ist dir besonders wichtig?“
Durch beobachtbare Fragen:
- Wann fühle ich mich im Einklang mit mir selbst? Wann fühle ich mich besonders gesehen?
- Was verletzt mich? Wann verliere ich die Kontrolle?
- Wofür setze ich mich ein?
- Wie sieht der Ort aus, an dem ich ganz ich selbst sein darf? Was zeichnet diesen aus?
So werden Werte sichtbar, ohne Druck. Neurodivergenz steht im Zusammenhang mit vielen Reizen, starker Emotionalität und hoher Kreativität. Fragen, die diese Blickwinkel nutzen, bringen uns mehr Klarheit.
Schritt 3: Priorisieren, wenn alles wichtig scheint
Wie stark hängen deine Werte und Interessen zusammen?
Neurodivergente Gedankenfeuerwerke brauchen externe Struktur. Das reduziert Entscheidungsstress und stärkt Selbstwirksamkeit.
Die 3-Filter-Methode: Relevanz – Energie – Identitätsfit
- Relevanz: Was hat realen Einfluss?
- Energie: Was gibt oder nimmt Kraft?
- Identitätsfit: Passt es zu der Person, die du sein möchtest?
Nur wenn alle drei Filter stimmen, ist etwas wirklich eine Priorität.
Schritt 4: Dein persönlicher Nordstern (Identity-Based Priorities)
Ein System, das sich deiner Neurodivergenz anpasst – nicht umgekehrt
Du brauchst kein strenges System. Du brauchst ein respektvolles System, das deine Funktionsweise anerkennt.
Identitätsbasierte Ziele statt externer Erwartungen
Zielfragen für wertegetriebene sinnmotivierte Menschen
- Welches Ergebnis fühlt sich wie „meins“ an?
- Wofür möchte ich in Zukunft stehen?
- Welche Entwicklung entspricht meinem inneren Kompass?
Wie du langfristig konsistent bleibst (ohne starre Pläne)
Konsistenz entsteht nicht durch Strenge. Sie entsteht durch stabile Identität.
Ein neuroinklusives System zeichnet sich durch zwei Dinge aus:
- dass es Halt in Form eines verlässlichen Rahmen gibt – wie Leitplanken
- und dass es Freiheit lässt, unterschiedlichen Interessen nachzugehen – wie ein Spurwechsel auf der Autobahn
Kurz: Wenn dein System mit dir arbeitet, musst du dich nicht mehr gegen deinen eigenen Kopf durchsetzen.
Fazit: Klarheit bedeutet nicht Kontrolle – sondern Selbstwirksamkeit
Struktur + Weichheit als neurodivergente Stärke
Klarheit ist kein starres Gerüst. Sie ist ein sicherer Rahmen, der dir erlaubt, flexibel und kreativ zu bleiben.
Wirksamkeit entsteht dort, wo Identität, Energie und Prioritäten zusammenfinden. Nicht dort, wo du versuchst, „normal“ zu funktionieren.
Neurodiversitätscoach: Kurzprogramm “Prioritätenkompass”
Du hast Lust deine Werte, Interessen und Prioritäten individuell aufzustellen? Du weißt nicht wo du anfangen sollst und wünschst dir deinen roten Faden benennen zu können, als einmal mehr zu hören oder zu sagen “ich habe zu viele Interessen”?
Ich arbeite mit neurodivergenten Fach- und Führungskräften. In meinem Coachingprogramm helfe ich dir, dich zu erkennen, zu lernen und ins Tun zu kommen. In drei fokussierten Coaching-Sessions entwickeln wir gemeinsam deinen persönlichen Prioritätenkompass. Du erhältst eine klare Vorlage, die dir langfristig Orientierung gibt. So verwandeln wir zu viele Interessen keine klare Richtung in individuell Stärke und Klarheit.